Luna und die Schneeeule
TEIL I
eine Geschichte von Eva-Maria Nagl
Zarte Flocken. Weiße Pracht. Der erste Schnee hat die Landschaft am Fuße des Dachsteins in ein edles Kleid gehüllt. Schneekristalle glitzern in den morgendlichen Sonnenstrahlen. Ein leises Knirschen ist zu hören. Es durchbricht die winterliche Stille auf eine sanfte Weise und hinterlässt kleine Fußabdrücke im Schnee. Es sind die Spuren von Luna. Das zarte Mädchen ist warm eingepackt. Sie trägt einen grauen Lodenmantel. Die Kapuze hat sie weit in die Stirn gezogen, um sich so gut wie möglich vor der klirrenden Kälte zu schützen. Unter der gestrickten Wollmütze versteckt sie ihr gelocktes Haar. Ein paar blonde Locken blitzen hervor und tanzen verspielt im Dezemberwind zu ihrem ganz eigenen Lied. In ihren eisblauen Augen spiegeln sich die glitzernden Schneekristalle wie Sonnenstrahlen im Gletschersee. Doch plötzlich kullert dem blassen Mädchen eine Träne über die Wange. Luna ist, wie so oft, unglücklich. Sie fühlt sich verloren. Verloren in einer Welt voller Leistungsdruck und Kälte. Verloren in einer Scheinwelt. Wo Schönheit und andere Oberflächlichkeiten die Hauptrolle spielen. Dabei spielen für Luna ganz andere Dinge eine Rolle. Sie liebt die Natur und Tierwelt. Sie beschäftigt sich mit der Kraft von Kräutern und zeigt gegenüber ihren Mitmenschen viel Empathie. Manchmal zu viel Empathie. Immer dann, wenn sie zu viel fühlt. Zu viel von dem, was eigentlich zum Gegenüber gehört. Ihre feinen Antennen sind eine besondere Gabe, mit der Luna nicht so recht umgehen kann. Für sie sind ihre Wahrnehmungen Fluch und Segen zugleich. Denn manchmal fühlt sie sich gerade deshalb verloren. Überrumpelt. Oder funktioniert nicht so, wie es die Welt da draußen von ihr erwartet. Genauso fühlt sie sich an diesem Dezembertag und deshalb versucht sie, wie so oft, diesem unangenehmen Gefühl davon zu spazieren.
Ihr Spaziergang führt immer wieder an denselben Ort. Zu einer Kapelle am Fuße des Dachsteins. Dort oben angekommen hat sie einen wunderbaren Ausblick, der ihr Herz wieder öffnet. Dort oben spürt sie wieder deutlich, wie groß das Universum ist und wie klein und unbedeutend so manches Problem im Vergleich dazu. Dort oben befindet sich ihr besonderer Kraftort. Hier kann sie neue Energie tanken und in Ruhe nachdenken. Ein paar Meter hat Luna noch vor sich. Dann endlich kann sie an ihrem Lieblingsort rasten. Der Schnee reicht mittlerweile bis zu ihren Knien und sie hat Mühe voran zu kommen. Doch tapfer stapft das feine Wesen weiter und kämpft sich ihren Weg durch die Schneemassen. Ihr Atem ist nun schnell und zeichnet kleine Dampfwolken in die kalte Winterluft. Endlich bei der Kapelle angekommen ist sie völlig erschöpft und muss feststellen, dass das kleine Häuschen komplett eingeschneit ist. Mit bloßen Händen versucht Luna die Vorderseite, wo sich die Türe mit kleinen Fenstern befindet, freizulegen. Doch die Erschöpfung ist zu groß. Das Mädchen fällt zu Boden und lässt ihre zarte Gestalt im Schnee einsinken. Dicke Tränen kullern ihr über die Wangen und sie murmelt vor sich hin: „Warum ist alles so schwer?“. Plötzlich ist ein Flattern zu hören. Luna hebt ihren Kopf, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und versucht das Geräusch zuzuordnen. Da erblickt sie eine weiße Schneeeule, die am Dach der Kapelle Platz genommen hat. Die gelben Augen der Schneeeule stechen in der weißen Landschaft hervor und starren Luna an, als wollte das Tier sie hypnotisieren. Das Mädchen bekommt es mit der Angst zu tun und fragt die Eule: „Was willst du von mir?“
Fortsetzung folgt…
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